Immer wieder fällt mir auf, dass es der deutschen Sprache an
einer Benennung für eine Person mangelt, deren Namen man nicht kennt. War es in
früheren Zeiten durchaus üblich, einen Mann mit „mein Herr“ („Kann ich etwas
für sie tun, mein Herr?“) und eine Frau
mit „meine Dame“ anzusprechen, so wirkt diese Anrede heute obsolet.
In Zeiten, in denen die Jugend sich gegenseitig mit „Alter“
(oder „Alder“) anspricht, scheint, das Alter als Bezeichnung zwar nicht
besonders stigmatisierend, angebracht ist es deshalb dennoch nicht. Es ist nicht
angemessen, den wirklich älteren Mann mit dieser Anrede anzusprechen. Vielmehr
ist eine unbeholfene Formulierung wie „junger Mann“ („Junger Mann! Was kann ich
für sie tun?“) durchaus üblich, obwohl der Mann schon lange nicht mehr jung
ist. So mancher „junge Mann“ mag sich da auch veräppelt vorkommen, da er doch
weiß, dass er (leider) nicht mehr jung ist. Bei Frauen jedweden Alters ist die Angelegenheit
ähnlich gelagert.
Besonderes in der Gastronomie sieht sich der Gast oft einem
Problem ausgeliefert, wie den Kellner oder die Kellnerin ansprechen? Insbesondere
in Bistros, in denen keine ausgebildeten Kellner, sondern Schüler, Studenten
und andere ungelernte Kräfte ihren Dienst tun, ist eine Anrede mit „Herr Ober“
oder “Frau Kellnerin“ eher unangebracht. Aber wie nun die Servicekraft
ansprechen? „Hallo“? „Entschuldigung“? oder „Fräulein“? (Letztgenanntes kann
man heutzutage mit einem klaren „Nein“ beantworten.) Oft machen Gäste auch mit
Winken auf sich aufmerksam.
Dieses Problem findet sich jedoch in vielen andern Sprachen
nicht. Im Italienischen spricht man eine Frau, deren Namen man nicht kennt
einfach mit „Signora“ (mask. „Signore“) an, in England sagt man: „Madam“ oder „Ma’am“
(mask. „sir“), Die Franzosen sagen: „Madame“ (mask. „Monsieur“).
Gerne erinnere ich mich an eine
Szene an der Käsetheke eines Südtiroler Supermarkts. Die Muttersprache der
Bedienung war eindeutig italienisch, denn sie fragte: „Noch was, Frau?“