Montag, 4. Mai 2009

Die Seuchen unserer Zeit I

Nein, ich möchte mich nicht zur Schweinegrippe, Rinderwahn oder Vogelpest äußern, das machen andere schon zur Genüge. Meine Seuchen beziehen sich auf die Errungenschaften der modernen Industriegesellschaften.

Anfang der 1930er Jahre beschäftigte sich der Philosoph und Soziologe Walter Benjamin mit dem Thema der Fotografie. Schon damals hat er festgestellt: „immer kleiner wird die Kamera, immer mehr bereit, flüchtige und geheime Bilder festzuhalten“. Wie vorausschauend Benjamin war, kann ihm selbstverständlich nicht bewusst gewesen sein, aber es ist doch erstaunlich, wie Recht er hatte. Kaum etwas ist so flüchtig wie die Digitalfotografie. Zwar wird das Foto auf eine Speicherkarte gebannt, aber genauso schnell, wie es gebannt wird, kann es wieder gelöscht werden. Hat man sich früher, selbst als Laie, Gedanken über das Motiv, Zeitpunkt, Ort gemacht, drückt man heute einfach ab. Der Wust an Fotos ist kaum zu bewältigen. Leider werden die Fotos nicht besser durch die neue Technik, sondern einfach nur mehr, denn die Gesichter/Motive bleiben die Gleichen. Der „Durchschnittsfotograf“ dürfte sich nicht mal so nennen, er ist lediglich zum Knipser verkümmert. So sieht man jedermann die Kamera betätigen, dann wird das gute Stück umgedreht, um sich über das Ergebnis auf dem kleinen Display lustig zu machen. Ach, was war es früher immer ein Überraschungsmoment, wenn man im Fotoladen des Vertrauens seine Bilder abgeholt hat und sofort nachgeschaut hat, ob alles „was geworden ist“ (‚Oh, nein, da hab ich ja die Augen zu’, ‚Warum ist das denn so dunkel geworden?’) So bleibt Benjamins wichtigster Begriff der Aura völlig auf der Strecke.

1 Kommentar:

  1. Jaaaaahaaa, deshalb liebe ich die gute, alte, analoge Photographie!!

    Obwohl ich, wie Du ja weißt, auch eine digitale Kamera besitze.

    Liebe Grüße und bis morgen? Bianca

    AntwortenLöschen